Startseite Praktische Hilfen  Von Nazis fotografiert – was tun?

Von Nazis fotografiert – was tun?

Was man tun kann, wenn Neonazis Fotos von Gegendemonstranten im Internet veröffentlicht haben?

Wer sich heutzutage im öffentlichen Raum bewegt, muss generell damit rechnen, Gegenstand von Film- oder Fotoaufnahmen Dritter zu werden. Das gilt umso mehr, wenn man sich an Sportveranstaltungen, Demonstrationen oder anderen Ereignissen von öffentlichem Interesse beteiligt. Weil Demonstrationen darauf zielen, die Öffentlichkeit zu erreichen, ist eine Bildberichterstattung gerade wünschenswert und nicht zu verhindern.

Es ist aber ein Unterschied, ob Bildaufnahmen dazu dienen, das Anliegen der Abgebildeten zu kommunizieren, oder dazu, einzelne Teilnehmerinnen und Teilnehmer in sozialen Netzwerken, auf Webseiten und in Blogs in Großaufnahme an den Pranger zu stellen. Fotos, teilweise kombiniert mit Namenszuschreibungen, die auf rechten Internetseiten veröffentlicht werden, haben das Ziel, die Abgebildeten einzuschüchtern und von weiteren Protesten gegen rechts abzuhalten.

 

Das Kunsturhebergesetz

Solche „Steckbriefe“ müssen nicht hingenommen werden. Sie erfüllen in der Regel den Straftatbestand eines Verstoßes gegen § 33 des Kunsturhebergesetzes (KUG) und können mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bestraft werden. Im Sinne des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung kann jeder und jede selbst darüber bestimmen, inwiefern das eigene Bildnis verbreitet wird.

Als Bildnis gilt eine Porträtaufnahme oder eine Aufnahme, die eine Person eindeutig in den Mittelpunkt stellt. Auch bewegte Bilder, also Filmaufnahmen, fallen unter den Begriff des Bildnisses. Wann ein Bildnis eines anderen verbreitet werden kann, regeln die §§ 22 und 23 des Kunsturhebergesetzes. Gemäß § 22 KUG ist ein Verbreiten mit einer Einwilligung des Abgebildeten zulässig, wobei eine Bezahlung als Einwilligung zu werten ist. Gemäß § 23 KUG wird keine Einwilligung in bestimmten Ausnahmefällen benötigt, und zwar für

  • Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte
  • Bilder, auf denen eine Person nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen
  • Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellte Person teilgenommen hat
  • Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

Aufnahmen bei Versammlungen müssen deshalb Aufnahmen sein, bei der die Menge der Demonstranten und nicht eine einzelne Person im Vordergrund steht.

 

Strafantrag und Opferschutz

Wenn eine betroffene Person gegen eine veröffentlichte Aufnahme vorgehen will, ist zu beachten, dass es sich bei § 33 KUG um ein absolutes Antragsdelikt handelt; das heißt, Voraussetzung eines Ermittlungsverfahrens ist, dass innerhalb von drei Monaten ein Strafantrag durch die abgebildete Person gestellt wird. Ausschlaggebend für den Fristbeginn ist dabei nicht der Zeitpunkt der Veröffentlichung, sondern der Zeitpunkt der Kenntnis des Betroffenen von der Veröffentlichung.

Zu beachten ist, dass durch einen Strafantrag die oder der Tatverdächtige im Rahmen des Ermittlungsverfahrens, etwa durch Akteneinsicht, personenbezogene Daten wie die Anschrift über die betroffene Person erfahren kann. Das sollte vermieden werden. Wer einen Strafantrag aufgrund einer Abbildung auf einer rechten Internetseite stellen will, ohne dass seine Anschrift Tatverdächtigen bekannt wird, kann sich dazu von dem Verein Opferperspektive beraten und helfen lassen.

Von Rechtsanwalt Sven Richwin

FRAGEN & ANTWORTEN
Neonazis, Demonstrationen, Versammlungs­recht, Proteste, Öffentlichkeit, Polizei, Verbote, Aktionsformen, ...

SUCHE


PRAKTISCHE HILFEN