Soll die NPD
verboten werden?
Ist eine Partei wie die NPD für die Meinungsvielfalt und Willensbildung in der Demokratie wichtig – oder nutzen die Neonazis nur das Parteienprivileg aus?
Ja, ein NPD-Verbot wäre richtig.
Werner Treß, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam.
Unverhohlen strebt die NPD nach der Beseitigung des demokratischen Rechtsstaats und der parlamentarischen Demokratie. Der weltanschauliche Wesenskern und die Agitation der Partei sind offen rassistisch und menschenfeindlich. Sie verunglimpfen die fundamentalen Prinzipien des Grundgesetzes.
Neben ihrer völkisch-nationalistischen Weltanschauung zeugt auch die politische Praxis der NPD, so zum Beispiel ihr so genanntes Drei-Säulen-Konzept, von einer aggressiv-kämpferischen Grundhaltung und damit von ihrer Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus. Dass auch der Einsatz brutaler körperlicher Gewalt als integraler Bestandteil ihrer politischen Praxis angesehen werden muss, zeigt schon die Anzahl von NPD-Funktionären, die wegen Gewaltdelikten vorbestraft sind oder zugleich in die neonazistischen Strukturen des „Freien Netzes“ eingebunden sind. Die Gewaltbereitschaft der NPD und die Militanz ihres Auftretens zielen auf die Einschüchterung der Zivilgesellschaft und sind daher für alle Akteure, die in der Demokratie zur politischen Willensbildung beitragen wollen, schlechthin unzumutbar.
Gegen diese Argumente, die ein neues Verbotsverfahren rechtfertigen würden, wird oft eingewendet, dass mit dem Verbot der NPD noch nicht das Gesamtphänomen des Neonazismus in Deutschland beseitigt wäre. Dem ist entgegenzuhalten, dass die NPD als Bewegungskern des organisierten Neonazismus in Deutschland auch die maßgebliche Struktur für dessen überregionale Handlungsfähigkeit darstellt. Ein Verbot der NPD würde daher auch eine nachhaltige Schwächung ihres Bewegungsumfeldes bewirken. Darüber hinaus ist, im Unterschied zu der Bedrohung, die etwa von den freien Kräften oder Kameradschaften ausgeht, gerade in der exponierten Stellung der NPD als Partei, mit all ihren rechtlichen und finanziellen Privilegien, eine ungleich größere Gefahr zu sehen.
Der Rechtsstaat darf sich nicht mittelbar zum Erfüllungsgehilfen einer Partei machen, die den Rechtsstaat beseitigen will. Darin liegt die Notwendigkeit zu einer grundlegenden Reform der Arbeit des Verfassungsschutzes im Bund und den Ländern begründet. Denn der unbedachte Einsatz so genannter V-Leute in den Führungsgremien der NPD stellt nach wie vor das einzig relevante Hindernis für ein neues NPD-Verbotsverfahren dar.
Nein, ein Parteiverbot ist keine gute Lösung.
Miro Jennerjahn ist Mitglied des Sächsischen Landtags für Bündnis 90/Die Grünen. Er ist Beirat im Netzwerk für Demokratische Kultur Wurzen und gehört der Arbeitsgruppe Rechtsextremismus seiner Partei an.
Eines vorneweg: Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) ist eine eindeutig antidemokratische und menschenverachtende Partei. Dennoch halte ich die fortgesetzten Verbotsdebatten für einen Irrweg.
Ein Verbotsverfahren ist mit enormen rechtlichen Hürden verbunden. Dabei ist nicht nur das Bundesverfassungsgericht maßgeblich, sondern auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Bereits das letzte Verbotsverfahren scheiterte vor dem Bundesverfassungsgericht an der unklaren Rolle der V-Leute des Verfassungsschutzes. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte prüft zudem, ob durch eine antidemokratische Partei der tatsächliche Bestand eines Staates gefährdet ist. Bei aller Abscheu gegenüber der NPD, so viel Gewicht hat sie in Deutschland definitiv nicht. Ein neuerliches Scheitern eines Verbotsverfahrens wäre fatal. Unter den gegenwärtigen Vorzeichen steuern wir allerdings genau darauf zu.
Ein NPD-Verbot löst weniger Probleme als allgemein angenommen. Ein Verbot würde kurzfristig Ressourcen für die Neonazi-Szene kappen. Von Dauer wäre das nicht. Ersatzstrukturen wären in den Regionen schnell geschaffen, in denen die NPD stark ist. Wichtiger noch: Ein NPD-Verbot verhindert keine einzige Nazi-Demo, wie oft angenommen wird, und ändert auch nichts am massiven Ausmaß neonazistischer Alltagsgewalt.
Die NPD-Verbotsdebatte wird seit zehn Jahren folgenlos geführt. Es ist in weiten Teilen eine symbolpolitische Debatte. Die einzige, die davon regelmäßig durch entsprechende mediale Aufmerksamkeit profitiert, ist die NPD.
Die einzig tragfähige und erfolgversprechende Lösung ist, die NPD per Stimmzettel wieder aus den Parlamenten zu vertreiben. Es bestehen begründete Aussichten, dass dies perspektivisch gelingen kann. Damit wird auch die Verantwortung für den Umgang mit antidemokratischen Parteien wieder dahin gegeben, wo sie hingehört: In die Hände der Wählerinnen und Wähler.
1 Kommentare
Es wird höchste Zeit, dass wir uns die Demokratie nicht mehr so zerstören lassen. Dieser Neoliberalismus hat uns mehr und mehr die Wähler genommen. Wir sind es auch allen – wie Dietrich Bonhoeffer und den vielen Millionen Opfern – schuldig, gegen diese fehlgeleiteten Gehirne vorzugehen. Natürlich friedlich, mit einem Gesetz und eben mit viel besserer Bildung.
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