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Mit Autonomen &

Konservativen gegen Nazis?



Wenn Neonazis die größte Gefahr für die Demokratie sind: Brauchen wir ein Bündnis, das vom linksautonomen bis zum stramm konservativen Spektrum reicht?

POSITIONEN

Heinz-Joachim LohmannJa, denn wir müssen miteinander darum ringen, wie unser Zusammenleben über alle unsere Differenzen hinweg aussehen soll.

Heinz-Joachim Lohmann, ist amtierender Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Mittelmark-Brandenburg und ehemaliger Vorsitzender des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ in Brandenburg.

 

Im letzten Jahrzehnt gelang es, die rechtsextremistische Präsenz im Land Brandenburg sehr stark zu minimieren. Dennoch ist der Rechtsextremismus in unserer Gegend nicht tot. Das zeigen die Gründung eines NPD-Kreisverbandes Prignitz-Ruppin und die fortwährenden Versuche, entsprechende Demonstrationen an verschiedenen Orten zu organisieren. Die Stimmung in der Bevölkerung ist hin- und hergerissen zwischen, „dass die Rechten nicht dürfen sollen“ und „das ist doch alles nicht ernst zu nehmen“. Das wirft die Frage auf, was den Rechtsextremismus so besonders macht unter den Extremismen und warum es notwendig ist, ihm schon beim Keimen entgegenzutreten mit einer ganz großen Koalition, die von der CDU bis zur Antifa reicht.

 

Da ist zum einen der Rassismus. Ganze Menschengruppen werden zu Feinden erklärt. Gegner sind nicht nur die, die eine andere Weltanschauung haben, sondern Menschen anderer Herkunft, Hautfarbe, Volkszugehörigkeit. Wir können in unserer Mitte nicht hinnehmen, dass sich eine Weltanschauung etabliert, die von der Geburt her definiert, wer zu unserer Gesellschaft dazugehört und wer nicht, ohne jede Veränderungsmöglichkeit. Die darüber hinaus festlegt, dass es minderwertiges und unwertes menschliches Leben gibt.

 

Zum zweiten brachte der Rechtsextremismus mit Totschlag, Brandanschlägen, vielen Körperverletzungen und nun dem Offenbarwerden der Existenz eines rechtsextremen Mordkommandos, eine Welle der Gewalt in unsere Mitte. Wir können nicht tolerieren, dass Menschen Angst davor haben, zu bestimmten Uhrzeiten oder in bestimmten Vierteln auf die Straße zu gehen. Ebenso wenig akzeptabel ist es, dass bestimmte Gewerbe einem erhöhten Anschlagsrisiko ausgesetzt sind.

 

Zum dritten gibt es eine Verantwortung aus der Vergangenheit. Der Nationalsozialismus kam durch demokratische Wahlen an die Macht und überzog die Welt mit Krieg und Verbrechen. Jüdisches Leben und jüdische Kultur wurden in Deutschland in großem Umfang zerstört und die, die den Nationalsozialisten nicht passten, liefen in Gefahr, in Konzentrationslagern eingesperrt und getötet zu werden. Wegen der Verantwortung vor dieser Geschichte gilt es besonders wachsam zu sein gegenüber Kräften, die sie gerne wiederholen möchten.

 

Zum vierten lehnen Rechtsextremisten die Demokratie ab. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Gerade in unserer Region gibt es einige Menschen, die mit der Realität der Demokratie unzufrieden sind. Aber Demokratie ist mehr als Wahlen, Parlament und freie Marktwirtschaft. Demokratie bedeutet auch unabhängige Justiz, Pressefreiheit und überprüfbare Regeln für den öffentlichen Raum. Was es bedeutet, wenn das durch das Führerprinzip monopolisiert wird, davon können die Älteren berichten und wir können uns die Folgen durch einen Besuch in Sachsenhausen oder anderen Gedenkstätten vergegenwärtigen. Ein System, das wichtige Rahmenbedingungen menschlichen Lebens nicht akzeptiert, ist nicht akzeptabel.

 

Wir halten es für notwendig, dass es eine breite Übereinkunft darüber gibt, was wir nicht haben wollen. Wir müssen miteinander darum ringen, wie unser Zusammenleben über alle unsere Differenzen hinweg aussehen soll. Wir tragen in uns das Vertrauen, dass die Zukunft nicht festgelegt, sondern gestaltbar ist und ganz überraschende Wendungen nehmen kann. Ich gehe davon aus, dass andere aufgrund ihrer durchaus verschiedenen Überzeugungen ähnliche Einsichten haben. Das wird uns helfen, miteinander einen Rahmen abzustecken, der uns leben lässt – über unsere sonstigen Partei- und Weltanschauungsgrenzen hinweg.

 

 

Armin Pfahl-Traughber (c) Konrad-Adenauer-StiftungNein, weder mit gewaltorientierten Autonomen noch mit extremistischen Konservativen.

Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber lehrt an der FH des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl mit den Arbeitsschwerpunkten „Politischer Extremismus“ und „Politische Ideengeschichte“ und gibt das „Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung“ heraus.

 

Die Frage „Sollen alle, vom ‚konservativen bis zum autonomen Spektrum’ gemeinsam gegen Neonazis protestieren?“ wird hier aus demokratie- und extremismustheoretischer Perspektive erörtert. Diese Sichtweise setzt ein normatives Bekenntnis zu den Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates als ein „überlappender Konsens“ (John Rawls) für eine pluralistische Gesellschaft voraus. Dazu gehören Gewaltenkontrolle, Individualitätsprinzip, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Pluralismus und Volkssouveränität.

 

Die Ablehnung der einen Form des Extremismus verliert an inhaltlicher Glaubwürdigkeit und politischer Überzeugungskraft geht sie mit der Kooperation mit einer anderen Form des Extremismus einher. Für die einleitend erwähnte Frage bedeutet dies: Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus sind konservative und linke Demokraten als Anhänger der erwähnten Grundprinzipien willkommen. Antidemokratische Konservative und gewaltorientierte Autonome sollten aber keine Akzeptanz von Demokraten finden.

 

1. Mit der Parole „Antifa heißt Angriff“ machen Anhänger der linksextremistisch geprägten Subkultur der Autonomen deutlich, dass sie sich keineswegs nur gegen gewalttätige Angriffe aus der rechtsextremistischen Szene körperlich wehren wollen. Dies wäre im Sinne von Notwehr auch ihr gutes Recht. Ganz offen fordert man „direkte Angriffe auf Strukturen der Neonazis“, was „auch mal handfest auf dem Weg zum Aufmarsch oder zur Arbeit“ geschehen könne. Diese Einstellung läuft auf eine praktizierte Form der Selbstjustiz hinaus, welche das staatliche Gewaltmonopol in Frage stellt. Körperliche Übergriffe auf angebliche und tatsächliche Rechtsextremisten erfolgen dann aus einer Haltung der individuellen Stimmung und subjektiven Willkür heraus. In dieser Auffassung artikuliert sich die Bereitschaft, in den Dimensionen eines „Bürgerkrieges“ wie in der Endphase der Weimarer Republik bei den Auseinandersetzungen zwischen KPD– und NSDAP-Mitgliedern zu denken. Der dabei deutlich werdende Bruch mit den Prinzipien eines Rechtsstaates ist evident.

 

2. Die „Antifaschistische Aktion“ von Autonomen richtet sich nicht nur gegen Rechtsextremisten: Die Formulierung findet in der linksextremistischen Subkultur inflationär Verwendung und dient ebenso zur Legitimation von Gewalthandlungen gegen Polizeibeamte. Auch der bestehende liberale Rechtsstaat, dem aus demokratietheoretischer Sicht durchaus diskussions- und kritikwürdige Praktiken und Strukturen eigen sind, gilt in dieser Hinsicht als „faschistisch“ oder „faschistoid“. Als Form eines repressiven „Schweinesystems“ und eines „strukturellen Rassismus“ soll er letztendlich mit abgeschafft werden. Somit handelt es sich bei den Autonomen auch unabhängig von ihrer konkreten Gewaltneigung um eine linksextremistische Subkultur. Ihren Anhängern geht es ebenso wie den Rechtsextremisten darum, die Normen und Regeln eines demokratischen Verfassungsstaates zu überwinden. Dass dies im Namen einer angeblich „herrschaftslosen Gesellschaft“ geschehen soll, macht aus den Autonomen keine Protagonisten einer modernen Demokratie.

 

3. Ebenso wie es einer demokratietheoretisch begründeten Abgrenzung nach links bedarf, bedarf es ebenso einer demokratietheoretisch begründeten Abgrenzung nach rechts: Es gibt auch nicht-neonazistische Rechtsextremisten wie die Anhänger der „Konservativen Revolution“ in der „Neuen Rechten“. Sie distanzieren sich formal und offiziell von Neonazis und NPD, meist aber mehr durch die Haltung einer intellektuellen Überlegenheit gegenüber deren pöbelhaftem Agieren motiviert. In nicht wenigen Grundpositionen bestehen indessen ideologische Gemeinsamkeiten. Daher beteiligen sich Protagonisten dieses politischen Lagers auch nicht an Demonstrationen gegen die offen agierenden Rechtsextremisten aus dem Neonazi- und NPD-Spektrum. Sie wären aus demokratietheoretischer Perspektive in einem breiten Bündnis gegen Rechtsextremisten ebenfalls nicht willkommen. Das Gegenteil würde für demokratische Konservative im oben definierten Sinne der Minimalbedingungen eines demokratischen Verfassungsstaates gelten.


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